• - 92 - in Italien gewirkt haben und wie sie im Verein mit der naitürlichen und g,eistigen Struktur des Landes di,e Voraussetzung zu einem abenteuerlichen Experiment großen Stils geschaffen haben. Bleibt immer . noch das Wesen des Fascismus zu klären, dieses halb kindischen, halb verbrecherischen Phänomens, dessen geistige Ueberzeugungs- 'kraft auf einem gänzlich undurchführbaren Imperialismus beruht. Was. der Fascismus sein will, ist klar. Wir haben seine Ideologie eines nationalen Sozialismus, ·eines hysterischen Imperialismus, einer romantischen Theokratie kennen gelernt. Aber v,on den Par• ·tei,en gilt noch mehr als von den Propheten, daß man sie an ihren Früchten erkennen soll. Wenn die Programm·e immer mit den 'Taten identisch wären, dann wäre die Welt längst ein Raraidies, in dem die Wölfe mit den Schafen spielen, und niemand brauchte von dem Baum der Erkenntnis zu essen, der sehend und kritisch macht. Der wirkliche Inhalt einer Partei, einer Regierung„ kann si<;h niemals in dem zeigen, was sie scheint oder scheinen• möchte, sondern allein in dem, was sie ist und tut. Im Falle des· Fascismus ist außerdem eine Beurteilung auf Grund seines Programms eine bare Unm•öglichkeit, einfach weil es ihm an einem sachlich-politischen Programm fehlt. In allen entscheidenden ökonomischen, finanzi,ellen, sozialen, verwaltungstechnischen Bunkten hat sich die· Partei niemals zu einer klaren, unzweideutigen Meinung bekannt, sie hat immer nur einen OpporiunismlUs betrieben, der zu jeder Gelegenheit Ja sagte, wenn sie einen Vorteil bot Der Nationalismus ist allerdings unzweifelhaft ein programmatischer Gedanke, aber mit ihm lassen sich recht gut so verschiedene Re-'- gierungsformen vereinigen wie der halbe Absolutismus Wilhelms II. oder der Liberalismus Millerand-Poincares. Freilich muß der Nationalismus, das zu außenpolitischem Ehrgeiz ausgeartete Nafi.onalgefühl, auch nach innen immer zu einer Ueberdisziplinierung, zu einer starken Militärpolitik und zu einer schroffen ·Haltung geg,enüber der pazifistisch-sozialen Opposition führen. Der Fascis-- mus hat sich keinen Augenblick um die Alllfstellung einer einheitlichen, alle politischen Aufgaben umfassenden Theorie bekümmert, er hat .lediglich seinen nationalistischen Phras•envorhang aufgespannt, hinter dem die wirren G·edanken einer syndikalistischen Aristokrati,e und eines sozialistischen Imperialismus widernatürliche Unzucht treiben. Der Schlüssel ztU seinem wahren Wesen liegt in dem tiefsinnigen Worte Machiavellis: ,,}iede Regierung wird durch dieselben Kräfte.erhalten, durch die sie entstanden ist." Der Fascismus ist entstanden, um den Geist des Krieges fortzusetzen und den Bolschewismus zu bekämpfen; erst allmählich hat er den ganzen. Gedankengang des Nationalismus angenommen. Er ist geschaffen v,on einer kleinen Kaste zügelloser Existenzen, die ein Instrument brauchten, um i.hre Ambitionen verwirklichen zu können. Er hat
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