Hanns-Erich Kaminski - Fascismus in Italien

- 90 - Machiavelli der „Storia fiorentina" und der. ,,Disc,orsi sopra la prima deca di Tito Livio", der den ,,Principe" suchte, weil er keinen . andern Ausweg aus der Anarchie des italien_ischen Cinquecento sa·h, w-eiß er nichts.) ,,Vor allen Ding,en wurde das Volk niemals definiert. Es ist als politisches Wesen ein bitter abstraktes Wesen. Man weiß nicht genau, wo es anfängt, noch wo es aufhört. Das dem Volke beigefügte Adjektiv des Souveräns ist ein tragischer Witz. Das Volk kann höchstens seine Souveränität delegieren, aber es kann keine Souveränität ausüben. Die Repräsentativsystieme gehören mehr zur Mechanik als zur Moral. Auch in den •Ländern, wo diese Mechanismen seit Jahrhunderten im Gebrauch sind, kommen feierliche Stunden, in denen das Volk nicht mehr gefragt wird, weil man fühlt, daß die Antwort fatal sein würde; die Papier-- kronen seiner Souveränität - gut für normale Zeiten -· werden zerrissen, und es wird ihm ohne weiteres befohlen, eine Revolution oder einen Frieden anzunehmen oder gegen das Unbekannte eines Krieges zu marschieren. Dem Volke bleibt nichts anderes übrig, als zu bejahen und zu gehorchen. Man sieht, daß die freundlichst zugestandene Souveränität dem Volke in den Augenblicken entz.ogen wird, in denen es ein Bedürfnis nach ihr fühlen könnte. Sie bleibt ihm allein überlassen, wenn es unschädlich ist oder dafür gehalten wird, das heißt in den Angelegenheiten der gewöhnlichen Verwaltung. Kann man sich eine·n durch Referendum proklamierten; Krieg vorstellen? Das 'Referendum ist recht gut, wenn es sich darum handelt, den besten Platz zur Errichtung der Dorfpumpe auszuwählen, aber wenn die höchsten Interessen eines Volkes auf dem Spiele steh,en, hüten sich auch die ultrademokratischen Regierungen s,ehr, sie dem Urteil des Volkes selbst zu unterbrel'ten,." Und er schließt mit den Worten Machiavellis: ,,Die Natur der Völker ist mannigfaltig, und es ist leicht, sie von einer Sache zu überzeugen, aber schwierig, sie in dieser Ueberzeugung ru erhalten. Daher ist es gut, so gerüstet zu sein, daß, wenn sie nicht mehr glauben, man sie mit Gewalt zum Glauben zwingen kann." Gewalt und imm,er nur Gewalt - das ist das ganze Evangelium Mussolinis. Wie wird er enden? Fraglos ist, daß er nicht die dreißig Jahre regieren wird, die er sich in einer Kammerrede prophezeit hat. Dreißig Jahre sind zu viel, sowohl für die Bedingungen seiner Diktatur, als auch für das Temperament des italienischen Volkes„ Aber sicher ist auch, daß er nicht gutwillig abtreten w;ird, ohnie noch einmal den Terror seiner Garden zu entfalten. Er hat wieder„ holt ausgesprochen, und man darf es ihm glauben, daß er einem' Wahlergebnis oder einem Kammervotum nicht weichen würde. So 'erklärte er in einer Rede, die er kurz vor den Wahlen im Theater Cortanzi in Rom hielt.

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