- 89 - wesen wäre. Nun :war er tats·ächlich beschäftigungslos. Da gab der Kampf gegen den Bolschewismus seinem Temperament die ·erwünschte Tätigkeit. Im Kampf gegen alle Gesetze, in der Gewaltsamkeit ohne alle moralischen Grenzen ~on.nte sich sein ana.rchischer Geist austoben. Er gründete das Fascistenheer nicht aus einer politischen Doktrin - die hat er nie besessen -, er gründete es als ein Con-- dottiere, als den ihn schon vor einem Jahrzehnt der französische ·Syndikalist Sorel geUennzeichnet hatte. Für ihn ist der Krieg ein ~andwerk, die Unordnung die angemessene Atmosphäre, der persönliche Erfolg das einzige Ideal. Er ist nicht nur der Führer des Fascismus: er· ist der Fascismus selbst. Er hat ihn sich nacfü .Maß gearbeitet, und er paßt ihm wie. ein gutsitzender Anzug. Dei Fascismus hat keinen Inhalt und kein Ziel: sein Inhalt und sein Ziel ist Mussolini. Für ihn ist er freilich nur ein Mittel für sdnen · Aufstieg gewesen, .das er jederzeit fortwerfen würde, wenn er e~ für sieine Zwecke für nötig hielte. Selbstsüchtig o_hnejeden Skrupel, hat er nur einen Glauben: den Glauben an sich selbst; nur eine Treue: die Treue zu seinem Ehrgeiz. . Die intransigenten Fascisten sehen mit Mißfallen, daß er sich im Interesse der Stabilisie~ung seiner Macht von der Partei zu entfernen beginnt, und wie weit die internen Intrigen eine Zeitlang bereits gediehen waren, kann man aus der Rede ersehen, die er . im Juni 1923 in Padua hielt, eine Rede, deren, zerebraler Feldwebel'-' -ton ilberhaupt charakteristisch für ·ihn ist ,,Vier geschichtliche Jahre haben lichtvoll bewiesen, daß M:issolini und der Fascism:us zwei Aspekte derselben Natur sind. Sie sin~ zwd K:örper und eine Seele oder zwei Seelen in einem einzig.en .Körper. Ich kann den Fascismus nicht verlassen, weil ich ihn geschaff,en habe; ich habe ihn erzogen, ich habe ihn befestigt, ich habe ihn geprügelt, und-ich halte ihn noch immer in meiner Faust! Da- ·her ist es völlig nutzlos, daß die alt,en Weiber der italienischem Politik mir angestrengt den Hof machen : ich bin zu intelligent, als daß ich jn diesen Hinterhalt mittelmäßiger Kaufleute· von Dorfmessen fallen könnte. Ich vers'ichere e.uch, liebe Freunde, daß alle diese kleinen Vipern, alle diese Politikaster die bitterste Enttäuschung erleben werden .. Zu glauben, daß. man mich für die parlamentarische Praxis einfangen könnte, ·ist absurd. Ich bin im Grunde ein Kind der Arbeit, aber ein zu aristokratischer Geist, um nicht Abneigung gegen die niedrige parlamentarische Küche zu empfinden." Noch aufschlußrieicher ist vielleicht der Aufsatz über 1\\achiavelli, den er im April 1924 der Universität Bologna einreichte:, als sie ihn honoris causa zum Doktor promovieren wollte. De:nn dieser „aristokratische G·eist", der so gern wie der Colleone Verrocchios aussehen 'möchte, schwärmt selbstverständlich für Machiavelli. (Das hei~t für den Verfasser des „P.rincipe"; von dem andern
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