- 88Mussolini an die Macht gekommen; ganz wie sein ·Ebenbild kommt auch er, ,,um Ruhe und Ordnung herzustellen", nachdem er die Revolution besiegt zu haben vorgibt, die in Wirklichkeit an den ökonomischen Verhältnissen und ihren eigenen Fehlern gescheitert ist. Der „Korporal der nationalen Miliz" könnte sich getr,ost einen Dreispitz aufsetzen und die rechte Hand in die Weste stecken„ seine Knüppelschlachten und Rizinusölsiege werden doch nur das Unternehmen eines Abenteurers bleiben. Napole,on I. war der Testamentsvollstrecker Robespierres, Mussolini ist bestenfalls der Testamentsvollstrecker d' Annunzios und Marinettis .... Benito Mussolini ist als Sohn eines Bauern in der Romagn.a geboren, wo, wie ein italienischer Schriftsteller sagt, die P,olitik eine Leidenschaft ist, stark wie die Liebe. Dort ist er groß ge-4 worden im Streit der Parteien, unter einer Bevölkerung, in der sich di,e Energie des Nordens mit dem anarchischen Geist des Süden& mischt. Und im Grunde ist er immer auch ·politisch der Anarchist seiner Anfänge g,eblieben, egoistisch und egozentrisch, unfähig, sich einzuordnen, immer bereit, zum eigenen Vorteil über Leichen r.1 gehen. In der sozialistischen Partei, in die er bald eintrat, verschafften .ihm diese Eigenschaften in einer Periode, in der sich die Partei in einem gewissen Stillstand befand, Anhang. Heftiger Feind des Staates, mußte er nach der Schweiz fliehen, bis er auch hier wegen revolutionärer Propaganda ausgewiesen wurde. Erst als er als Ministerpräsident zur Konferenz von Lausanne fuhr, hat die Eidgenossenschaft den Ausweisungsbefehl gegen ihn aufgehoben. In„ folge einer Amnestie nach Italien zurückgekehrt, leitete er den ,,,Avanti", bis der Ausbruch des Weltkriegs seinem Ehrgeiz eine neue Richtung gab. Die stetige Politik, die Zug um Zug zu gewinnen trachtet, ist nie sein Fall gewesen. Der Krieg, diese Synthese aus Diktatur und Anarchi,e, das war sein Element. Vom Sozialismus vertrieben„ gründete er mit einigen interventionistischen Genossen den „Popolo d'ltalia" und wurde der heftigste Anwalt der Kriegspropaganda. Von seiner militärischen Laufbahn ist nicht viel Rühmliches bekannt. Seine Anhänger sprechen nicht gern davon, daß er einfacher Bersaglieri gewesen ist und keine Auszeichnungen besitzt. Aber was sollte er nun beginnen~ als der Krieg zu Ende war! In Leitartikeln ausschweifende Friedensforderungen aufzustellen, gar zuzusehen, wie d' Annunzio in Fiume den Lorbeer des National„ beiden pflückte, genügte ihm nicht. Sich in eine Partei einzuordnen„ für 6in begrenztes Programm zu kämpfen, lag ihm noch weniger. Vielleicht haben diejenigen seiner Gegner nicht unrecht, die behaupten, daß, wenn er noch 1919 an der Spitze des Sozialismus gestanden hätte, eine Sowjetrepublik a la Ungarn das Resultat ge-
RkJQdWJsaXNoZXIy MTExMDY2NQ==