- 87 - ihnen einige Stellen vorlas und kommentierte. Er ist auch der erste italienische Ministerpräsident, der die staatlichen Festtage mit kirch.: liehen Feiern verbunden hat, wie er denn auch die sich seit geraum,er Z,eit vorbereitende Aussöhnung mit dem Vatikan durch fromme Kniebeugen zu beschleunigen sucht Unter seinem Regime ist in jede Schulstube ein Kruzifix aufgehängt, und er hat sich beeilt, die klerikalen Unterrichtsanstalten mit denselben Rechten auszustatten wie die staatlichen.· Man muß ihm freilich lassen, daß er die Kunst der Inszenierung versteht. Die öffentlichen Gedenktage, die jetzt ·alle fascistisches Gepräge haben, werden mit einem Pomp begangen, der in Italien, wo das Volk so ästhetisch empfindet und wo die Kirche durch Jahrhunderte ihre blendende Pracht entfaltet hat, nicht leicht seine Wfrkung ve·rfehlt. Die Person Mrussolinis erscheint dabei stets im Vordergrunde und wird in wechselnder Beleuchtung von allen Seiten photographiert und besc~rieben. Zu~tatten kommt ihm dabei die Neigw-ig zur Bewunderu~g, die überall, und besonders in Italien, unter der Jugend und der Masse, die Heber anbetet als denkt, vorhanden ist. Die fascistische Propaganda unterstützt selbstverständlich diese Neigung, in dem ganz richtigen Bewußtsein, daß sich in Mussolini die ganze_ Bewegung spiegelt. Schließlich wird das alles erst auf breiter Basis ermöglicht und gesteigert durch die Bourgeoispresse, die immer entzückt ist, wenn sie schmutzige Wäsche waschen und andere Lakaiendienste verrichten kann. Die Presse hauptsächlich ist es, die, indem sie eine napole.onische Legende um ihn webt, die Eitelkeit des Diktators zum Größenwahns,in:11steigern muß. Sie fälscht die Geschichte schon in der Gegenwart. Leider kann man nicht einmal sagen, daß die Gestalt, die an der Spitze ihrer Legionen den Staat erobert, um· den alten Ruhm des Landes zu erneuern, gut erfunden ist. Auch wenn es schon ein Dutzend Schriften gibt, die den Genius MussoIinis auspos~unen, auch wenn die Zdtungen auf Anekdoten von ihm Jagd machen und die illustrierten Blätter täglich eine neue Photographie von ihm bringen, auf ·der man ihn beim Essen und Trinken, Fechten, Reiten, Autofahren, bei Reden und Paraden, Einweihungen und Begräbnissen bewundern k_ann - das alles macht aus dem mittelmäßigen Mussolini noch lange nicht den großen Napoleon. Es bestätigt nur seine Aehnlichkeit mit dem Neffen, mit dessen Abenteuer ja der Fascismus so vieles gemein hat. Wie Napoleon III. versucht auch Mussolini, seine Karriere __mit dem vergangenen Ruhm der Nation auszustaffieren; wie der kleine Bonaparte an der Spitze eines Haufens aller möglichen Existenzen sich von den Kapitalisten bezahlen ließ und die Massen der Bauern und Arbeiter mit Phrasen betrunken machte, so ist auch
RkJQdWJsaXNoZXIy MTExMDY2NQ==