Hanns-Erich Kaminski - Fascismus in Italien

• - 86 - Bevor die Massen sich in Bewegung setzten, versammelten sie sich auf dem Pincio zu einer Truppenschau vor dem Führer. Der breite Weg, den Napoleon 1. von der Höhe zur Porta del Popolo angelegt hat, reichte nicht aus, um die Menge zu fassen, die auch noch die groß,e Piazza del Popolo anfüllte. Es war ein buntes Bild, wie es dieser historische Platz wohl schon öfter gesehen hat, als Rom noch das begehrte Ziel für die Landsknechte ganz Europas war. Ihre Fahnen und Kopfbedeckungen l,euchteten in allen Farben, und . nur das schwarze Hemd gab ihnen eine gewisse Einheitlichkeit. Dazwischen sah man di,e blauen Hemden der Nationalisten, und in einer Ecke stand gar in Khakiuniform eine Gruppe der montenegrinischen Fasci. Oben auf der Höhe war die Kavallerie aufgestellt, Fascisten aus Süditalien, die wer weiß. auf wessen Pferden gekommen waren. Viele Abteilungen hatten irgendwo „requirierte" Autos bei sich, di,e Fasci aus den Abruzzen wurden von einem Priester ge.führt, der eine grün-weiß--rote Schärpe um die Stola geschlungen hatte, rund die Umbrier hatten das Garibaldi-Wort auf ihre Kappen geschrieben: Roma o morte. Ab und zu konnte man ein paar weibliche Gestalten beobachten, die kokett eine fascistische Mode kreierten. Manche hatten Gewehre, Karabiner, Jagdflinten, aber die meisten waren nur mit den berüchtigten Knüppeln bewaffnet, mit denen es so leicht ist, gegen Unbewaffnete zu siegen. Mussolini, damals seit wenigen Stunden Ministerpräsident, kam im Auto den Korso hinunter, begleitet von den Hauptwürdenträgern des Fascismus. Von Beifallsstürmen umrauscht, schritt er rasch die Reihen seiner Truppen ab, die ihm mit eja, eja und dem römischen Gruß empfingen. Was mir dabei auffiel, war das Gekünstelte in seiner Haltung. Da war auch nicht eine einzige natürliche Bewegung, nicht eine einzige echte Geste; der ganze Mann war eine gefrorene Pose. . Dieses Gemachte bemerkt man auch in. seinen Reden, in denen die Phrase förmlich nackt dasteht, ohne einen menschlich sympathischen Zug von Wärme oder Ehrlichkeit. Er bewegt sich s,ozusagen immer für den Film, spricht imm-er für ein Grammoplhon. Alles an ihm ist unecht, mit Ausnahme seiner Brutalität, die nur, durch einen dünnen Schleier von Zivilisation bedeckt ist. Er, der seine Ueberzeugung gewechselt hat wie die Wäsche, sagt von sich in einer Ansprache an Arbeiter: ,,Ihr wißt, daß ich niemals zu lügen pflege." Oder ein andermal: ,,Ich liebe es nicht, zu reden" - er, der jeden Tag zwölf Reden bei allen möglichen Gelegenheiten hält. Zu di,esem Bilde von Mussolini paßt ausgezeichnet die Frömmigkeit, die er neuerdings zur Schau trägt. Vor dem Grabe des unbekannten Soldaten pflegt er öffentlich zu beten, und in Lausanne hat er sich mit Journalisten über die Bib~l unterhalten, aus der er

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