- 75sich ihm lediglich unter dem Druck der Q,ewalt nicht widersetzt hatte, ist verschwunden, die neue Kammer gestattet ihm, jede beliebige Maßnahme auf gesetzmäßigem Wege durchzufühten. Die Periode der absoluten Diktatur ist zu. Ende, die plebiszitäre hat begonnen. Es ist klar, daß damit zahlreiche Probleme auftauchen, vor deren Lösung der Fascismus nun steht. Bisher hat er nicht nur die alte Kammer im bes·ondern, sondern auch den Parlamentarismus im allgemeinen bei jeder Gelegenheit verächtlich zu machen versucht. Wird er diese Haltung auch gegenüber seiner eigenen Kammer beibehalten, in der er über eine gewaltige Mehrheit verfügt? Wird er also seine eigenen Führer, die er doch als dJe Blüte der Nation bezeichnet, in ihrer Eigenschaft als Abg,eordnete diskreditieren? In der Theorie scheint das ein unmögliches Paradox, in der Praxis bekommt der Fascismus jedoch auch dieses Kunststück fertig. Die fascistischen Abgeordnete·n sind lediglich Beauftragte der Parteileitung. Sie sind nicht einmal in einer Fraktion vereinigt,. können daher nicht über die parlamentarischen Arbeit~n diskutieren. Der Ministerpräsident empfängt von Zeit zu Zeit seine Mehrheit und teilt ihr seine Wünsche mit. Ihr Verhalten in den Sitzungen, ihre Anträge und Abstimmungen werden von einer kleinen Kommissi,on bestimmt, die im Einvernehmen mit der Regierung tätig ist.· Zum Kammerpräsidenten ernannte Mussolini ein.e gänzlich unbedeutende Pers-önlichkeit, den Abgeordneten Rocoo, der sofort erklärte, er werde ~eine Angriffe auf den Fascismus dulden. Tatsächlich sind die 374 Abgeordneten der Mehrheit, oder zum mindesten die 230 Fascisten davon, lediglich Militen, di1e in die Kammer wie auf· irgendeinen andern Posten komman„ diert sind. _ Schwieriger ist das zweite Problem, das sich aus der veränderten Situation des Fascismus ergibt: seine Stellung zur Opposition. Denn · eine auch nur äußerliche Wiederherstellung des Parlamentarismus müßte notwendigerweise auch eine gewisse Anerkennung der Oppositionsparteien mit sich· bringen. Unmittelbar nach den Wahlen w.ar denn auch sehr viel von einer Normalisierung und Pazifizierung des öffentlichen Lebens die Rede. Mussolini selbst ließ, ein paar Worte vernehmen, die man mit einiger Anstrengung als versöhnlich auffassen konnte, und er soll erklärt haben, daß der Squadrismus jetzt endgültig aufhör,en müsse. Man kann ihm ohne weiteres glauben, daß ihm die Tätig„ keif der Ras zuwider ist, die dem Prestige seiner Regierung schadet und die Verwaltung, d. h. seine Zentraldiktatur lähmt. Die Frage ist jedoch, ob er überhaupt imstande ist, die Mac,ht der Lokalfürsten 41 brechen. Die Bestimmung, daß die fascJstischen Abgeordneten -· keine Parteiposten bekleiden dürfen, so. daß, sich· .ihre Fühlung mit den örtlichen Organisationen lockern muß, und die Einreihung
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