Hanns-Erich Kaminski - Fascismus in Italien

- 65 - abzuzahlen. Die Mittel zu der endgültigen Sanierung denkt sie dabei ebensowenig wie die Ersparnisse den besitzenden Klassen aufzubürden, sondern durch den Verkauf der Staatsmonopole auf- . zubringen. Das Zündholzmonopol und die Lebensversicherung sind bereits an die private Hand ausgeliefert word~n, Post-, Telegraphen- und Telephondienste, die Sozialversicherung und hauptsächlich die Eisenbahnen sollen ihnen folgen. Die Aufgabe dieser wichtigen, nicht nur finanziellen, sondern auch politischen P,osi..: tionen stößt freilich auf beträchtliche Hindernisse in den Reihen des Fascismus selbst, hauptsächlich unter seinen Gewerkschaften, wenigstens insofern es sich um die Eisenbahnen handelt, und die Uebereignung einiger Linien, für die schon alles bereit war, ist vorläufig aufgeschoben worden. Ihren „Sozialismus" verwirklicht die fascistische Regi!er:ung inzwischen auf andern Wegen. Sie „sozialisiert" nämlich die drei Viertel bankrotte Schwerindustrie, hauptsächlich die AnsaldoGesellschaft, deren Aktien auf ungefähr 12 Prozent stehen, und sie hat sich von ihrem Entschluß nicht einmal dadurch abbringen lassen, daß die Ansaldo durch die Kommission zur Aufdeck:ing unrechtmäßiger Kriegsgewinne arg kompromittiert worden ist. Die Ergebnisse dies,er Kommission, die infolge zahlreicher Enthüll:ung,en unter der Regierung Bonom.i eingesetzt wurde, warender Diktatur überhaupt höchst unsympathisch, und sie wandte ihr ganzes Gewicht auf, um die Presse an allzu ausführlichen Mittei,.. lungen und Polemiken darüber „im nationalen Interesse" zu hindern. Die „Sozialisierung" besteht nun einfach darin, daß die Regierung einen Teil der Ansaldo-Aktien übernahm und eine Sanierungskommission bildete, in der zu gleichen Teilen Vertreter der Regierung und der Gesellschaft sitzen. Dafür verpflichtete sie sich, der Firma einen Steuernachlaß zu gewähren und Staatsaufträge in größerem Umfange zuzuweisen. In Wirklichkeit handelt es sich also um nichts weiter als wn die Flottmachung einer einzelnen Aktiengesellschaft aus öffentlichen Mitteln. Wenn sich die allgemeinen Verhältnisse seit 1922 zu besserin anfangen, so ist das jedoch noch lange nicht das Verdienst des Fascismus. Die Wahrheit ist ganz einfach, daß. sich die Krise ihrem Ende nähert. Das Aufhören der Streiks erklärt sich allerdings in der Hauptsache aus der Unterdrückung der G,ewerkschaften, aber es gibt andere Beweise, die deutlich von einer Besserung der Wirtschaftslage sprechen. Die Zahl der Arbeitslosen betrug am 31. Oktober 1923 nur noch 200 000, die Aktiengesell• schaften haben im ersten Jahresdrittel 1248 Millionen Gewinne machen können, und auch die Zahlungsbilanz schließt mit einem Ueberschuß von 232 Millionen ab. Die Handelsbilanz ist allerdings . immer stark passiv, die Einfuhr überstieg die Ausfuhr auch .im Jahre 1923 um 6,5 Milliarden, aber dieses Debet wurde durch die Kaminski 5

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