- 62 - drückt werden kann. Diese rücksichtslose Fascisierung der Verwaltung trägt jedoch bereits die Keime des Verfalls in sich selbst. . Einmal wird die schon ,durch die Entlassungen und Gehalts-, kürzun.gen erzeugte Mißstimmung durch den Mangel an Sachkenntnis vdeler der neuen Vorgesetzten noch verstärkt, zum andern läßt es sich gar nicht umgehen, daß durch die notwendige Heranziehung zahlreicher Novemberfascisten Streitigkeiten in den Reihen der fascistischen Partei selbst entstehen. Viele alte Fascisten, die erwartet hatten, daß ihre Knüppel grünen würden, nachdem sie sie auf die sieben Hügel gepflanzt hatten, fühlen ·sich enttäuscht :tnd benachteiligt, und sie weisen pathetisch auf die Prügel hin, die sie gelegentlich bekommen haben, wie die Veteranen Cäsars auf ihre Wunden hlnwies,en, wenn sie nicht rechtzeitig ihre Löhnung erhielten. Die. wichtigste Maßnahme der fascistischen Regierung zu ihrer Sicherung war jedoch· ohne allen Zweifel die Umwandlung ihrer Banden in eine nationale Miliz. Nach der Auflösung der von Nitti geschaffenen meist antifascistischen gaardia regia hat sie so eine stets halbmobHisierte Streitkraft zur Verfügung, deren Uebung im Bürgerkrieg durch legale und illegale Polizeidienste ständig weiter ausgebildet wird. Diese aus öffent:ichen Mitteln bewaffnete Polizeitruppe steht mit völlig gleichen Rechten neben Heer und Flotte, ihrem Statut zufolge kann· sie innerhalb wie außerhalb der Grenzen verwendet werden, und s-ie übt bei jeder Gelegenheit - Gelegen, heiten, die sie sich selber zu schaffen pflegt - öffentliche Dienste aus. Es ist eine richtige Prätorianergarde, vereidigt nicht etwa auf den König und die Verfassung, sondern ..allein auf die Person M:is-- solinis,. dem sie ohne jede Einschränkung zur Verfügung steht Seit den Tagen Richelieus ist das wohl der einzige Fall in der Ger schichte der Neuzeit, daß ein Minister sich eine eigene Armee hält. Ueberflüssig, von den immanenten Tendenzen einer solchen Truppe zu sprechen. Ungeachtet all dieser Maßnahmen fühlten die Dirigenten de~ Fascismus wohl, daß ihre Macht auf unsicheren Füßen steht, solange sie nicht die verfassungsmäßige O-ewähr einer dauernden Herrschaft erlangt haben. Sie haben zwar gelegentlich die Frage einer Verfassungsänderung nach dem Muster der deutschen Reichsverfassung von 1871 aufgeworfen, durch die die Minister von dem Willen des Parlaments unabhängig gemacht werden sollten,. jedoch auf gesetzlichem Wege war das mit der alten Kammer ausgeschlossen, und eine gewaltsame Verfassungsänderung erschien ihnen denn doch als ein allzu großes Risiko. Der Senat und die Kammer hatten· allerdings auf jeden eigenen Willen verzichtet, • aber die Kammer konnte nicht ewig bleiben, neu-~Wah!en mußten kommen, und die Stimme des V<>lkesverursacht ihn~n peinliche Beklemmungen. Ihrem Antidemokratismus war das Parlament in
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