Hanns-Erich Kaminski - Fascismus in Italien

- 60 - kaufen, die Kabaretts sind geblieben was sje waren, und sogar die Spielsäle sind durch eine Verordnung wieder zugelassen, obendr,e1n unter leichteren Bedingungen als jemals zuvor. Bin ,ernsteres Ges1icht erhält die Fascisiierungspolitik iin den Schulen, Aemtem und besonders iimdeutschsprachigen Tirol, wo sie mit einer verstärkten Italienisierung identisch ist. Von den Versprechungen, mit denen man die Bevölkerung Südtirols über ihr Schicksal zu trösten versuchte, ist so gut wie nichts übriggeblieben. Die italienische Sprache wird mit rücksichtsloser Härte eingeführt, zahlreichen Personen, hauptsächlich den unteren Beamten, die Erwerbung der Sta4tsbürgerschaft versa·gt, so daß, ihnen bei der traurigen Wirtschaftslage der Provinz nichts anderes übrig bleibt, als ihre Heimat zu verlassen, wenn sie nicht ohnehin, wie das gemeinhin der Fall ist, ausgewiesen werden. Geradezu eine europäische Gefahr wird die Verwirklich:.tng der fascistischen Ideologie jedoch durch die starke Vergröß:erung von H•eer, Marine und hauptsächlich der Luftflotte. Die Geschichte des letzten Jahrzehnts hat die Paradoxie des si vis pacem para bellum zu deutlich bewies·en, als daß, man diese Rüstungen nicht mit lebhaftesten Befürchtungen ans,ehen müß,te. Und zu den gefährlichen Neigungen, die jede starke Streitmacht naturgemäß in sich entwi~kelt, kommt hier noch der abenteuerliche Charakter de~ Fascismus hinzu, dieser rein militaristische Versuch, durch die Diktatur im Innern die Basis für eine Weltherrschaft zu schaffen. Zum Schwert gehört der Weihwedel. Und obgleich die Bedingungen ru einer solchen Verbindung in Italien nicht gerade günstig sind, wünscht auch der Fascismus, Kind der nationalistischen Romantik, mit heiligem Oele gesalbt zu werden. Eine nationale Kirche gehört zum nationalistischen Programm wie der Schatten zum Licht und der Mystizismus zur Reaktion. Wenn er zur Verwirklichung dieses Zieles die Versöhnung mit dem Vatikan zu beschle:.tnigen versuchte, verfolgte er. hier allerdings auch den unmittelbarpraktischen Zweck, die große Katholische Volkspartei lahmzulegen, lindem er ihre klerikalen Wünsche erfüllt. Die Annäherung zwischen Staat und Kirche ist freilich schon geraume 'Zeit auf dem Marsche, seitdem Benedikt XV. und Pius XI. die unversöhnliche Politik Pius des Neunten verlassen haben, aber die fascistische Regierung gibt sich die größte Mühe, ein Konkordat, dessen Entwicklung an sich beide Teile ruhig abwarten können, möglichst rasch zustande z:t bringen. Sie hat den alten Streit um die Gleichstellung der klerikalen Schulen mit den staatlichen, der jahrzehntelang den Inhalt der heftigsten Kämpfe bildete, zugunsten der Kirche entschieden, die Priesterschüler sind von der Militärpflicht befreit worden, ·:.tnd in dem vormals liberalen Italien hängt jetzt in jedem Sch:ilzimmer ein Kruzifix. Der Fascismus als Partei unterstützt diese Politik noch durch den Kampf, den er gegen die Freimaurer ein-

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