Hanns-Erich Kaminski - Fascismus in Italien

- 57 - Zeitlang darauf ausging, den S.H.S.-Staat nach bewährtem Muster einzukreisen. In der reaktionären Regierung Ungarns hatte der Fascismus noch Beziehungen aus der Zeit, als die Offiziere der italienischen Militärmission zum Sturze Bela Khuns beitrugen. Ebenso scheint er in Bulgarien intrigiert und zu der Revoluüo,n Zankoffs beigetragen zu haben. Und auch in den V!erwickelten Verhältnissen Albaniens, wo man nicht r,echt weiß, wer dort regiert, hat die italienische Regierung, wenn nicht alles trügt, ihrie Hand im Spiele gehabt. Die Bombe schien endlich zu platzen, als Mussolini im Aug,ust 1923 die Regierung Zanardellis in Fiume kurzerhand für abgesetzt erklärte und den G,eneral Giardini zur Ueber.nahme der Geschäfte dorthin _schickte. Di·e Verhandlungen darüber mit Jugoslawien zogen sich in die Länge, und als Italien darauf in einem Ultimatum eine augenblickliche Lösung verlangte, stand Europa unmittelbar vor einem bluti'gen l<:onflikt. Die Lage verschärfte sich noch, als in derselben Woche die italienischen Mitglieder der Kommission zur Festsetzung der griechisch-albanischen Grenze ermordet wurden. Das bekannte Ultimatum an Griechenland und die si·ch daran anschließende Besetzung Korfus führten jedoch eine Situation herbei, die den verantwortlichen Politikern in Italien zu denken geben mußte. Denn Italien blieb vollkommen isoliert. Aus England kamen die heftigsten Angriffe, Frankreich, wen111gleichwohlwollend, verhielt sich recht lauwarm, und die öffentliche M,einung der ganzen Welt zeigte so etwas wie ein ,pazifistisches Gewissen. Nachdem die Frage schließlich durch ein für Italien recht günstiges Kompromiß beigelegt war, stand nun Mussolini vor der Aufgabe, aus di1 es,e_rpeinlichen Isolierung herauszukommen. Das Resultat dieser Bemühung ist der Vertrag von Rom (Januar 1924), dessen Wurzeln angeblich bis in die Tage des Aufenthalts Mussolinis in Lausanne zurückreichen, der aber sicher erst na,ch der Korfu-Affäre festere Umrisse angenommen hat. Der Inhalt des Vertrages ist in Wahrheit der härteste Schlag, der dem f ascistischen Programm beigebracht werden konnte. Denn er ist kaum mehr als die Bestätigung der von Giolitti und Sforza a;bgeschlossenen Verträge, die die Fascisten mit dem ganzen Haß: ihrer Propaganda überschüttet haben. Die freie Stadt Fiµme gehört jetzt allerdings zu Italien, aber es hat dafür nicht nur auf die berühmte „dritte Zone", sondern auch -auf Porto Baros verzichten müssen, so daß die Stadt, am Meer gelegen und doch ohne Hafen, wirtschaftlich dem Untergang geweiht ist. Soll der Freundschaftsvertrag mit Jugoslawien mehr sein, als das Bündnis mit Oesterreich-Ungarn war? Will Italien wirklich und nachdrücklich seine Zukunft im Osten suchen, wie Mussolini -.-nach seinem Abschluß erklärte? Manche Anzeichen sprechen dafür.

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