Hanns-Erich Kaminski - Fascismus in Italien

- 56 - band, und der Besuch des englischen Königspaares in Rom (Sommer 1923) bot die Gelegenheit, die neue Freundschaft zu besiegeln. Der Preis dafü,r sollte die baldige Abtretung des englis.chen Jubalandes an Italien sein, die bereits im Jahre 1920 in einem Abkommen zwischen Tittoni und Lord Milner stipuliert worden war. Die Grundlage dafür war und ist der Vertrag von London, in dem 1915 die Bedingungen für die Teilnahme Italiens am Kriege festgelegt wurden. Danach erhielt es den Anspruch a:tf eine Kompensation aus dem englischen K,olonialbesitz, wenn England die deutschen Kolonien gewinnen würde; und nachdem man über alle möglichen Gebiete in Kleinasien und Afrika verhandelt hatte, war schließlich das Jubaland ausgewählt worden, das im Süden des italienischen Somalilandes liegt. Erst im Mai 1924 jedoch wurden die Verhandlungen darüber abgeschlossen. Die englische Regierung zeigte nämlich keine Lust, das Jubaland abzutreten, bevor nicht sämtliche Mittelmeerfragen zwischen den Alliierten gelöst wären. Der strittige Punkt war dabei der Dodekanes, den Italien bekanntlich immer noch in Besitz (nicht in Eigentum) hat, und dessen Rückgabe an Griechenland England forderte, indem es sich auf eine ~lausel des Milner-SciaIoj a-Vertrages berief. Die Regierung MacDonalds gab schließlich ihren Standpunkt, der in Italien große Verstimmung hervorrief, a:tf, Italien bekam das Jubaland, und die Frage des Dodekanes bleibt weiter in der Schwebe. Auch die Anlehnung an England hielt jedoch nicht lange vor. War es nun Furcht vor dem starken· Freunde oder Skepsis, jeden- ·falls suchte Mussolini noch andere Stützungspunkte, nachdem ,er sich einmal von Frankreich abgewandt ·hatte. Er fand ihn in Spanien, das unter der Diktatur de Riveras dem Fascismus neben allen realen Möglichkeiten auch noch die Genugtuung einer Art heiliger Allianz zu bieten schien. Wie weit die Abmachungen mit Spanien gehen und ob ein geheimes Marineabkommen besteht, ist nicht bekannt. Wenn man dem Londoner „Observer" glauben darf, wäre freilich auch die Bedeutung dieser Hypothese äuß~rst g,ering. Neuerdings hält die fascistische Regierung jedoch offenbar auch von Spanien nichts mehr. Wenigstens kann man al1!Ilehmen, daß. sie sonst die Angriffe offiziöser Blätter, wie „Tribuna" und „Giornale d'ltalia", auf die Diktatur Primo de Riveras verhindert hätte. Die gefährlichsten Reibungsflächen hatte die fascistische Regierung jedoch im Osten. Sie ließ zwar den Vertrag von Santa, Margharita, Jn dem die Räumung Dalmatiens festgelegt war, von der Kammer ratif.izieren, aber Jugoslawien blieb nach wie vor der Feind, als Mitglied der kleinen Entente ein um so bedrohlicherer Feind. Es hat den Anschein, als ob die Politik Muss,olinis eine

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