- S5 - fluß. ~usruüben. In London dagegen, wohin er nicht zu einer feierlichen Eröffnungssitzung, sondern zu wirklich definitiven Abschlüssen kam, erlebte er seine erste Enttäuschung. Sein Plan, die Reparationen auf 50 Milliarden Goldmark festzuset~en, wurde gar nicht besprochen, und er mußte wohl oder übel einsehen, daß Italien nicht stark genug ist, um in einem ernsten Interessenkonflikt zwischen England und Frankreich den Ausschlag g,eben zu können. Die Verstimmung, mit der er London verließ, wuchs noch, als au.eh in Paris seine Vorschläge gar nicht beachtet wurden. Trotz dieser Enttäuschung, die ihn von seiten Poincares stärker traf als von seiten Baldwins, unterstützte er jedoch die französische Politik, die 'in diesem Augenblick zur Besetzung des Ruhrgebiets schritt. Tatsächlich befand er sich völlig auf der französischen Plattform, als er dn Lausanne, im Stile Poincares erklärte: ,,Deutschland kann zahlen, und Deutschland muß zahlen." Und er entfernte sich noch weiter von England dadurch, daß er das Gold, das während des Krieges von der Banca d'Italia in der Bank of England - man weiß· nicht recht, ob als Pfand oder Depositen - als Sicherheit für eine Anleihe hinterlegt worden war, zurückverlangte und zur Bezahl:.tng italienischer Schulden in die Vereinigten Staaten schickte. Diese frankophile Politik ergab sich schon aus dem natürlichen Gegensatz zu der Politik Schanzers, der ·m,ehr zu der englischen Auffassung neigte. Die öffentliche Meinung Italiens gestattete Mussolini allerdings nicht, auch Truppen nach Deutschland zu schicken. Aber wenn er nicht an der Besetzung teilnehmen konnte, so wollte er doch wenigstens von der Ausbeutung seinen Teil haben, und er zögerte nicht, italienische Ingenieure ins Ruhrgebiet zu entsenden. Man hielt damals in den politischen Kreis•en Roms die Bildung eines deutsch-französischen Industrietrusts für nahe bevorstehend, und man glaubte sich durch die Beobachtungen, die die Ingenieure anstellen sollten, eine Teilnahme daran sichern zu können. Denn - so ungefähr schloß man - ein deutsch-fran,- zösischer Trust wird alle deutschen Rohstoffe, alle deutsche K;ohle selbst verarbeiten und Italien damit völlig in die Abhängigkeit der englischen Urproduktion bringen. Nach einigen Monaten änderte sich indessen das Bild. Die Ruhraktion brachte nicht die Resultate, die man erwartet hatte, die Gefahr einer französisch-deutschen Industriekooperation schien dem Palazzo Chigi nicht mehr so drohend zu sein, andererseits gewann die englische Auffassung, Deutschland entgegenzukommen, immer mehr Boden, und die öffentliche Meinung rückte unter dem Eindruck des Zlllsammenbruchs der deutschen Wirtschaft immer weiter von Frankreich ab. Die englandfreundliche Richtung, die im italienischen Außenministerium ganz wie in andern Ländern der _,.franzosenfreundlichen gegenübersteht, erhielt nun wieder die Ober-
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