- 54Di,e fascistische Regierung schien sof.art mit .einer aktiven Politik beginnen zu wollen. Die n~ue Aera begann mit einem Eklat" der die internationalen Beziehungen Italiens stark tangierte, näm- 'lich mi(,der Rückberufung des Pariser Botschafters. Graf Sforza hatte freilich die Regierung Mussolinis in einem Interview mit französischen Journalisten von vornherein zu diskreditieren versucht, aber die brüske Form seiner Abberufung galt ihm doch· in erster Linie als einem der e-influßreichsten Exponenten der italieni-: sehen Nachkriegspolitik. Nun mußte man :um so eher eine veränderte1 entschiedenere Richtung erwarten, da Mussolini persönlich das .Ministerium des Aeußern übernahm. In seiner Antrittsrede sprach er aUerdings nicht aus, was für unmittelbar,e Ziele er v~rfolge, aber er erklärte, skh von allen sentim,ental-illusionistisch.en Vorurteilen freizuhalten 1Undeine Realpolitik nach der Formel do at des führen zu wollen; 1Und,er setzte den Punkt auf diieses i, indem er die Entente tot, den Völkerbund bedeutungslos nannte.· D!lrch di•e Ernennung eines Berufsdiplomaten, des Senators Contarini, zum G;eneralsekretär im Auswärtige·n Amt und durch ein Revirem,ent, -das sich ebenfalls nur auf Beamte erstreckte, beruhigte er dann aUerdings diejjenigen, die sofort abenteuerliche Extrat,ouren befürchteten. Der Zusammentritt der Friedenskonferenz von Lausanne gab dem Ministerpräsidenten schon einige Tage später die Gelegenheit, eine Probe auf seine neue Auß:enpolitik zu machen. Tatsächlich hat Italien zurzeit kaum bedeutende Berührungspunkte, weder im Guten noch im Böse11, mit der 'Türkei, und für die Niederwerfung Gdecherilands müßte es ihr sogar dankbar sein. Trotzdem sparte Mussolini nicht mit Drohungen, um die türkischen Unterhä.ndlet4 zum Nachgeben zu veranlass,en, wobei er ohne Zweifel an Vorteile ökonomischer .und in hezug auf den Dodekanes auch territorialer Natur dachte. Sein eigentlicher Plan in Lausanne war jedoch, mit der Einkreisung Jugoslawiens zu beginnen. Zu diesem Zweck knüpfte er Verhandlungen mH Bulgarien an, obgleich die Regierung StambuHnskij durch ihre Ueberzeugungen sehr weit von ihm entfernt war. Er versprach, die Wünsche Bulgariens auf einen Hafen an der Aegäis zu unterstützen, erklärte dann aber spätert daß ei riur einen Freihafenbezirk und keine Territorialsouveränität gemeint habe. Die Bulgaren fühlten sich getä,uscht, ihre Annäherung an Jugoslawien, zu der die Bauernpartei Stambulinskijs ohne~ hin neigte, wurde dadurch nur beschleunigt, und die erste auß;en- . politische Aktion des Fascismus endete so mit einem beträchtlichen .Mißerfolg~ .. ln Lausanne konnte Mussolini sich in dem Interess•e sonnein~ das dem homo nov.us von allen Seiten entgegengebracht wurde, ohne auf den Gang der Friedensverhandlungen einen ,größeren Ein-
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