Hanns-Erich Kaminski - Fascismus in Italien

- 52 - bilden könnte. Doch· für absehbare Zeit ist auch Polen, in seiner Lage zwischen zwei. mißtrauischen Großmächten, kaum eine besonders ·starke Stütze für die fascistischen Zukunftspläne. Wenig Aufmerksamkeit hat die öffentliche Meinung bisher den 'Beziehungen des Fascismus zu Frankreich geschenkt, die allerdings auch mehr geistiger als praktisch-politischer Natur sind. Man, darf nicht vergessen, daß die Kenntnis der französischen' Sprache und der französischen Literatur in. Italien sehr weit verbreitet ist, und die literarisch-nationalistische Idee der Latinität ist eigentlich Pariser Ursprungs. Die französischen camelots da roi .und die italienischen Nationalisten sind Erbsen aus der gleichen Schote, und die Fascisten haben die Gedankengänge der Nafi.ona,.. listen völlig übernommen. Hinter dieser längst bestehenden Sympathie tritt die Möglichkeit des Bestochenseins der fascistischen Führer an Bedeutung zurück. Sie ist keineswegs unmöglich, bei einigen rechtsbürgerlichen fasdstenfreundlichen Zeitungen ist sie so gut wie sicher, aber Bestechungsgelder haben doch nur eine sehr begrenzte Wirkung in allen großen Entscheidungen, und außerdem kann sich jeder mit dem Wiorte Mirabeaus verteidigen :,,l'ch bin bezahlt, aber nicht bestochen." Tatsache ist, daß unter den gebildeten Schichten Italiens starke Sympathien für Frankreich vorhanden sind, denen jedoch in politischer Beziehung eine Animosität der großen Massen, die man beinahe Feindschaft nennen möchte, entgegenwirkt. Man darf .ruhig sagen, daß· heute Frankreich' in den Gefühlen des italienischen Volkes dies-el.be Stellung einnimmt wie Oesterreich-Ungarn vor dem Kriege. Diese Stimmung ist gleichermaßen ·von allen Parteien hervorgerufen w.orden, wenn auch aus den verschiedensten Gründen. Die proletarischen Parteien weisen darauf hin, daß Frankreich nicht mehr das Land des Dreyfus-Prozesses ·sei und daß es den deutschen Imperialismus nur besiegt habe, um selber eine imperialistische Politik zu verfolgen. Die Bürgerlichen sind erzürnt, weil Frankreich Italien bei den Friedensschlüssen ihrer Meinung nach übervorteilt hat. Insbesondere die Gruppen der Rechten empfinden es als eine Belei~igung der nationalen Ehre, daß Frankreich für sich allein den Ruhm des Siegers in Anspruch nimmt, ohne die angeblich größeren Menschenopfer Italiens zu würdigen. Wiederholt ist es zu öffentlichen Debatten zwischen Repräsentanten der beiden Länder gekommen, und selbst zwischen Foch und Cadorna ist eine heftige persönliche Polemik darüber geführt worden, wessen Initiative das Aufhalten der deutschösterreichische·n Offensive nach Caporetto zu danken sei. Der ·Schwerpunkt der antifranzösischen Animosität liegt jedoch in dem italienischen Wunsch nach Tunis. Diese französische Kolonie ist das Hauptziel der süditaHenischen, besonders der sizilianischen Auswanderer, die hier tatsächlich die Mehrheit unter den Europäern

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