Hanns-Erich Kaminski - Fascismus in Italien

- 50 - Die äußere Politik des Fascismus Als die Fascisten im Oktober 1922 an die Macht kamen, mußte man annehmen, daß sie gerade in der äußeren Politik eine ganz neue Richtung einschlagen würden. Denn das Wenige, was ihr Programm an positiven Punkten enthielt, bezog sich beinahe ausschließlich auf die äußere Politik; der Kampf um Fiume, die Aufgabe Valonas, die Verträge von Rapallo und Santa Margharita~ mit einem Wort: das Ziel des mare nostro der ltalienisier::mg der Adria, hatte einen großen Raum in ihrer Propaganda eingenommen; sie hatten zum Sturz des ersten Kabinetts Facta beigetragen, indem sie die Außenpolitik Schanzers angriffen, und noch unmittelbar vor dem Staatsstreich hatte Mussolini sich in den heftigsten Ausdrücken gegen die englandfreundliche Richtung dieses Ministers erklärt. Vor allem aber schien die ganze Ideologie des Fascismus die neue Regierung zu einer aktiven Außenpolitik drängen zu müssen. Denn wie, wenn nicht auf dem Schachbrett der Außenpolitik, konnte sie ihre Ideen der nationalen Größe, der valutazione dello spirito di Vittorio Veneto, der Wiederbelebung des Kriegs.- geistes, der· Schaffung der „vierten Roma" verwirklichen? ,,Die Geschichte der Neuzeit", sagte mir einmal ein bekannter, dem Fascismus sehr nahestehender Abgeordneter, ,,war bisher die Geschichte Spaniens, Frankreichs, Englands, Deutschlands; jetzt muß sie das Gepräge Italiens erhalten!" Derartige Gedanken müssen natürlich zu einem Gegensatz zu allen andern Staaten führen. England besitzt Malta und die Weltherrschaft, Frankreich Nizza, Savoyen, Korsika und Tunis, Deutschland Kohle und Eisen, Rußland ist bolschewistisch: Gründe genug, um den fascistischen Phantasien im Wege zu sein. Die außereuropäischen Großmächte sind zu weit entfernt, als daß sie vorläufig einen wesentlichen Posten in der italienischen Politik bilden könnten. Was die südamerikanischen Länder anbelangt, in denen so viele italienische Auswanderer wohnen, so steht der Fascismus trotz gefühlsmäßiger Sympathien auch zu . ihnen in einem gewissen Gegensatz, da er sich bemüht, in den Emigranten das Heimatsbewußtsein wachzuhalten und anfangs sogar nach einer Form suchte, um ihnen das Wahlrecht zur Kammer geben zu können. Von den Vereinigten Staaten erhofft man Kredite, aber diese Liebe der hohlen Hand ist reine Politik und hat nichts mit einer gefühlsmäßigen Zuneigung zu tun. Eine Zeitlang sprach man viel von den Beziehungen des Fascismus zu den übrigen reaktionären Parteien in den europäischen Staaten, in Wirklichkeit dürfte jedoch das meiste daran übertrieben

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