- 49 - Führern der Pisaner Fasci vorgenommen. Aber was will dieser eine gesühnte Vorfall gegen die tausende besagen, ooi denen die Zeitungen nur melden: ,,Von Unbekannten getötet" und „Die Polizei verfolgt die Spuren". ( 120 andere Gewalttaten der Fascisten hat Matteotti im A n h an g dieser Broschüre aufgezeichnet.) In seinem vollen Glanze aber zeigte sich der „Rasismus" während des Wahl„kampfes''. Die oppositionellen Parteien .konnten nur unter den größten Schwierigkeiten die erforderlichen dreihundert Unterschriften für die Wahlvorschläge sammeln. Deq Unitariern wurden sie in fü,nfzehn von dreißig Wahlkreisen 'zer.: .stört. Nichtfascistische Versammlungen konnten nur ganz vereinzelt stattfinden. Eine sozialistische Versammlung in Neapel wurde schlankweg verboten, eine andere, die in Genua stattfinden sollte, gesprengt, noch bev,or sie begonnen hatte, und zahlreiche ihrer Teilnehmer lagen wochenlang im Krankenhaus, darunter der Abgeordnete Gonzales, der den wegen revolutionärer Umtriebe angeklagten Mussolini während des Tripoliskrieges verteidigt hatte. Zu einer Rede Amendolas, des Führers der konstituüonellen· Demo~ kraten, des Kolonialministers im Kabinett Factas, wurden Tausende von bewaffneten Fascisten aus ganz Campanien und von noch weiter her zusammengetrommelt, und Amendola mußte schließlich in einem Privathause vor einem Dutzend geladener Gäste sprechen. Selbst der Demo-Soziale Golonna di Stefano, der anderthalb Jahre Minister Mussolinis gewesen war, mußte sich die Unterbrechung eines Polizeikommissars gefallen lassen, weil er „staatsgefährliche Dinge" gesagt hatte. Nicht einmal Plakate und Flugblätter konnte die Opposition verbreiten, während die Fascisten, denen die Industriellen 28 Millionen zur Verfügung gestellt hatten, eine ausgedehnte Propaganda machten und sogar die Briefumschläge auf den Postämtern mit Wahlstempeln vers,ehen ließen. Auf der andern Seite zeigte sich der Appetit der Ras auf eine geradezu lächerliche Weise. Nicht weniger als zweitausend Fascisten und Filofasdsten erschienen v•or dem Fünferausschuß, der die Regierungsliste zusammenstellte, um einen Platz in der „gemeinen Parlamentsküche" zu erbetteln. Der Ministerpräsident erklärte die Wahlen für eine belanglose Angelegenheit, mit der sich die Regierung kaum beschäftigen würde; aber der Unterstaatssekretär Acerbo, der iin Ermangelung von Verdiensten den Titel eines Barons von Aoerbo erhalten hat, ließ sein Bett im Palazzo Viminale aufstellen, ein General, der das Feld der Ehre, auf dem um die Kammersitze geschachert wurde, nicht verlassen wolte. Die drei, vier Unteroffiziere des Fascismus, die freiwillig auf eine Kandidatur verzichteten, stellten eine derartige Ausnahme dar, daß Mussolini jeden einzelnen von ihnen mit einem Glückwunschtelegramm beehrte. Ein hübsches Bild von der neuen Ethik. Kaminski 4
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