Hanns-Erich Kaminski - Fascismus in Italien

- 47 - Aemter mit geeigneten. Führern zu besetzen, und_ Mussolini, der beinahe der einzige Politiker der Partei ist, sah sich genötigt, nicht weniger als die drei wichtigsten Portefeuilles, nämlich das Präsidium, das Aeußere und das Innere, selbst zu übernehmen. Ebenso war es ihm nicht möglich," die Posten der fünf ausgeschiedenen Unterstaatssekretäre zu besetzen, sogar das Portefeuille des Arbeitsministers wurde nach dem Austritt der Popolari eingezogen, die Eis,enbahn- und Postministerien in ein Ministerium der Kommunikationen verschmolzen, und schließlich plant man, sämtliche Wirtschafts-, Finanz- und Schatzangelegenheiten einem einzigen Ministerium für Nationalwirtschaft zu übertragen. Die Fehlgriffe und Dummheiten, die sich aus diesem Mangel an sachlicher Beherrschung in der Verwaltung ergeben, werden ständig fühlbarer, und die rednerischen Entgleisungen dies~r Regierer sind so häufig, daß der Große Fascistenrat bestimmen mußte, politische Reden seien nur mit Zustimmung Mussolinis zulässig. ...... Das ist ein Zustand, der auf die Dauer trotz aller Disziplin nicht haltbar bleiben kann. Eine Diktatur ohne straffe, gut -funktionierende Verwaltung ist ein Widerspruch in sich selbst, und sogar wenn Mussolini das Genie wäre, das er nicht ist, könnte er nicht die tatsächliche Leitung des ganzen politischen und administrativen Apparats allein in seiner Hand vereinigen. Auf der andern Seite muß diese materielle Unfähigkeit das Selbstbewußtsein der nichtfascistischen Parteien stärken und den Massen allmählich die Augen über die fürchterliche Hohlheit dieser Regierung öffnen. Indessen -darf man die Bedeutung der römischen Oligarchen nicht überschätzen. Die wahren Herren des Landes sind die „Ras", die Lokal- und Provinzgrößen, die wenigstens bisher unter dem Schutz der Generaldiktatur ihre Spezialdiktaturen ausübten. Die Ras sind es, die die Politik der Präfekten bestimmen, die Bürgermeister absetzen, die Strafexpeditionen und die Gemeindewahlein „machen", wenn sie es nicht vorziehen, ohne Gemeindevertretungen nur mit einem königlichen Kommissar zu regieren. Tatsächlich sind zahllose Städte ohne gesetzliche Vertretungen, sogar Rom wird seit Jahr und Tag von einem Regierungskommissar beherrscht, der sich nicht geniert hat, Mussolini das Ehrenbürgerrecht der Ewigen Stadt zu verleihen. Die Tendenzen der Ras sind dabei sehr verschieden. Sie sind universitär-kleinbürgerlich in Mittelitalien, großagrarisch in Apulien, kapitalistisch in Ligurien, wo die Reeder sie ganz offen aushalten, und es gibt schließlich auch solche, die mehr gewerkschaftlich orientiert sind. Diese Banditen sind es, die auch nach dem Siege des Fascismus die Gewaltakte nicht nur gegen Sozialisten, sondern auch gegen Popolari fortgesetzt haben; die im Dezember 1922 jenes f:.irchtbare Blutbad unter dem Turiner Proletariat anrichteten, bei dem fünfzig Menschen ermordet wurden, und das selbst Mussolini jm Freundes-

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