Hanns-Erich Kaminski - Fascismus in Italien

- 38 - denen Sfellen kam es zu- blutigen Zusammenstößen mit der Polizei und mit Arbeitern. Sachliche Arbeit leistete der Kongreß dagegen kaum, das Programm vom Mai 1920 - wenn man diese Phrasen s,o nennen darf - blieb erhalten, und die ganze Umwandlung bestand eigentlich nur darin, daß. die / asci di combattimento sich jetzt Parüw Nazionale Fascista nannten und ihre Zentrale von M.ailand nach der Hauptstadt verlegten. Nach den Angaben der Parteileitung zählte der Fascismus damals 150 000 Mitglieder, di~ sich angeblich folgendermaß,en zusammensetzten: 83 000 Landarbeiter, 24 000 Industriearbeiter, 11 000 Studenten, 7000 Hausbesitzer, 7000 Beamte, 6000 Agrarier und 4500 Industrielle. Es war das nun freilich .alles andere als1eine einheitliche Masse. Sie klaffte nicht nur in ihren ökonomischen Interessen auseinander, sondern auch ihre Ideologie war sehr ver• schieden. Denn der Fascismus nahm alle Ueberzeugu,ngen an, die seine Anhänger mitbrachten, und er kümmerte sich wenig darum, wie sie sich miteinander vereinbaren ließen. Er war nationalpolitisch in Mailand, studentisch-literarisch in Florenz, Bologna, Mo~ena, kleinbäuerlich in Mantua, industriell in Triest, bürokratisch in Rom, großagrarisch in Apulien. Wenn diese Geg,ensätze noch nicht zum Ausdruck kamen, so lag das einmal daran, .daß sie ja praktisch bedeutungslos waren, zum andern aber an der Tatsache, daß der Handvoll wirklicher Politiker nur junge Leute, Soldaten und Banditen gegenüberstanden, die wie Cyrano nur „Ich schlage mich, ich schlage mich" riefen. In der Folgezeit gestalteten sich die Umstände für den Fascismus immer günstiger•. Die Regierungen wurden immer schwächer, und die Arbeiterschaft, die ihre Niederlage nicht erkennen w-ollte, erschöpfte skh mehr und mehr. "Ihr letzter Generalstreik, im August 1922, der ein Protest gegen neue fascistische Raubzüge sein sollte~ machte ihre Niederlage auf eine klägliche Weise klar. Inzwischen wuchs der Fascismus aus denselben Gründen, die seine Gegner schwächten, und seine Anhänger forderten unverhohlen de.n Marsch auf Rom als die Vollendung ihrer „Revolution". Ende September trat die Parteileitung in Rom zusammen und erteilte Mussolini diktatorische Vollmachten zur Einleitung einer politisch-militärischen Aktion. Ein Quadrumvirat, dem Bianchi, Balbo, de Bono und de Veceti angehörten,· traf im geheimen alle Vorbereitungen zur Insurrektion, währ,end. Mussolini die Gesamtleitung in seiner Hand vereinigte. Es war in der Tat der geeignetste Moment. Die Kammer war vertagt, die Regierung bewies jeden Tag aufs neue ihre Unzulänglichkeit, und die Sozialisten schließlich hatten sich soeben gespalten. Dagegen war die Zahl der Fascisten mittlerweile auf 400 000 gestiegen, die wichtigen Zentren des Landes waren in ihrer Hand, der Süden verhielt sich gleichgültig. Andrerseits begannen die industriellen Geldgeber angesichts dieser

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