Hanns-Erich Kaminski - Fascismus in Italien

- 26 - politische Klarheit, rein aus ihren rebellischen Instinkten heraus. Jetzt, <;iader Sozialismus ihren Tat,endrang nicht befriedigte, wurden sie mit noch größerem Eifer Fascisten, bei deneri sie die Revoh1tion zu finden liofften, wenn auch für ganz entgegengesetzte ~iele. 1 Da bäumte sich noch einmal der revoluti,onäre Wille des Proletariats .auf. Die maximalisti.s~hen Arbeiter besetzten efoe Antahl Fabriken, um nach syndikalistischem g,ezept die dfrekte Enteignung zu beginnen. Die Revolution schlug · -· bereits im Sterben - ihre letzte Schlacht. Noch ein Jahr früher hätte diese Unternehmung vielleicht einen gewissen Erfolg gehabt, wenn sie die Ergreifung der politischen Macht eingeleitet hätte; jetzt konnte sie sich nur als eine verbr,echerische Dummheit erweis·en, die die Bourge,oisie aufbrachte und dem Proletariat nichts nutzte. Sie bestätigte lediglich die Berechtigung des Hauptsatzes der sozi'alistischen Doktrin, daß zur Verwirklichung des SoziaLismus zuerst der Staat erobert werden mr.1ß. V•iellelcht hätte selbst damals noch die Revolution gesiegt, wenn die Arbedter wde ein Jahr später die Fascisten riach Rom marschiert wären, den König verjagt und die .Ministerien besetzt hätten. So verurteilte die allgemeine wie die . taktischie Lage die Bewegung von vornherein zum Scheitern. Nun w•ehte auf den Fabriken die rote Fahne, die Arbeiter jubelten, d~s Land wartete. Aber es geschah nichts. Die Fabriken standen still, die Arbeiter wußten nicht, was s,i,emiit dh~en anfangen sollten. Sie hatt~n keine Ingenieure, der Vorrat an Roh- und H.ilfsstoffen war begrenzt, die vorhandenen Gielder reichten nicht einmal aus, um , · die Löhne· zu zahlen. Und die 'Rohstoff.e wurden nich( geliefert,, die fertigen Produkte nicht abgenommen, di~ Banken, sperrten G,eld und Kredite. Die „Soz,ialis 1 iierurtg"· blieb eine leere Demon~ stration, di,e nach k~rzer Zieiit ausbrannte ,wie e.ine elektrische Birne. Giolitti hatte damit gerechnet. Es war ihni gar nicht ein- ~efallien, sich provozieren zu lassen und einen Kampf aufzunehmen, dessen Ausgang höchst unsicher war. Die Arbeiter streikten; nun gut, sie . würden schon wieder ,arbeiten. Sie besetzten Fabdken ;. nun gut, sie würden schon wieder hinausgehen. Und „der alte Fuchs" behielt recht. Der Streik fiel in sich selbst zusammen,. die roten Fahnen wurden wieder eingezogen, die UntemeJijtner konnten in ihre Betriebe zurückkehren. Man darf freilich den p·olitischen Willen, der hinter dieser ganzen Sinnlosigkeit stand,· nicht überschätzen. Die Besetzung der Arbeitsstätten ist ein nicht seltener Ausbruch des lateinischen Temperaments, ein ebenso spontaner Ausbruch wie zahlreiche Streiks, die dn den Jahren nach dem Kriege die Kraft der italienischen· Arbeiterbewegung ruiniert haben. Die Führer stehen· diesen lmpulsivdtäten, die · sich durchaus nicht n:ir auf die Anhänger des Sozialismus beschränken, ·ziemHch machtl,os gegenüber. Erst im April 1923 haben· die Mitglieder einer faseisti-

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