Hanns-Erich Kaminski - Fascismus in Italien

r - 24-· ~önigreichs h.atten 2000 soiial4st-ische Mehrheiten; die Zah) der ~wer:lcsc,ha;ftsmitglieder stieg ,auf d,rci MiUionen. Das Land. war sozial.is.tisch, aber der Sozialis,mus wußte ukht, was er mit dem L~nd .anfangen sollte. Die Streiks ve,rliefep ohne einen gemeinsa,,::n~npolitischen Zweck; statt dessen verlor sich cler Revolutionarismus in törichten Ausschreitungen und überflüssigen Kränkungen, die vieHeicht unvermeidlich waren, ab.er nichts nützten uh,d dem guten Ruf der Bewegun,g schadeten. Die Collahorationisten machte-n geltend, daß- Nitti recht habe, wenn er auf die notwendige Rückskhtnahme gegenüber England. und Amerika hinwies, jene von der Weltrevolution kaum berührten Länder, die einer italienischen Räte-repubiik kein Brot verkaufen und kein Geld borgen würden. Sie wiesen auf Rußland hin, dessen traurige Wirtschaftsla,ge sich immer deutlicher abzuzeichnen begann, und über dessen natürliche Hilfsquellen Italie-n nicht einmal verfüge. ·Sie erinnerten an Ungarn und München; s.ie führten schließ.- lieh die alten demokratischen Ueberzeugungen ins Feld, die moralisch und politisch am geeignetsten seien, um Schritt für Schritt zum Endziel zu gelangen. Die Maximalisten und ebenso die Kommunisten ihrerseits erklärten die Demokratie für eine hohle Lüge, als die sie sich seit dem Bestehen des Staates er.wiesen habe. Sie wiesen auf die revolutionäre Stimmung der Massen hin, die weniger auf sozialistischer Erkenntnis als auf Instinkt und Temperament beruhe, und die verloren ge-hen würde, wenn sie nicht ausgenützt würde. Sie betonteni~ daß es :eine Schande sei, dem König auch nur vorü,bergehend \·zu d.ie,nen, unq daß Italien der· Weltrevolution einen neuen Ansto6 geben könne. Beide Auffassungen hatten viel für sich, jede versprach .einen gewissen Erfolg. Indem die Partei sich- zu keiner durchringen konnte, versäumte sie die kostbarste Zeit und gab den Gegnern die Gelegenheit, sich zu sammeln. Mit Schrecken sah die Bourgeoisie die Flut der Rev,olutiot;t immer höher steigen, während auf der andern Seite sich nicht minder gefährliche Kräfte in den LegJ.onen d' Annunzios und in den Squadern der Fasd regten, Kräfte von dunkler Herkunft :tnd mit noch dunkleren Zwecken. Tatsächlic~ war es ein geradezu anarchischer Zustand. Im Innern herrschte beinahe der Bürgerkrieg, und nach außen wirkten unkontrollierbare Kräfte, die der Kontrolle der Regierung entzogen waren und das Land in unabsehbare Verwicklungen treiben konnten. Da rief man den letzten Mann, den die Bour~oisie noch zur Verfügung hatte: Giolitti~ Giolitti war nicht etwa aus Pazifismus gegen den Krieg gewesen. Seine Neutralitätspolitik hatte lediglich der ökonomischen

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