- 23 - listen, von deren gutem Willen seiin Kabinett abhing, ihn aller Wahrscheinlichkeit nach noch weiter nach links treiben können, wenn sie ihn. tatkräftig unterstützt hätten. Er wies sie darauf hin, daß Italien, das auf ausländische Kredite angewiesen sei, eine Revolution nicht ertragen könne und eine ruhige Entwicklung nötig habe, um arbeiten und sparen zu können. Die Sozialisten sa'hen diese Argumentation ein, allein sie befolgten sie nicht. Sie fanden weder den Mut zur Regierungsteilnahme noch zur Revolution, und als Nitti daran giing, die staatlichen Zuschüsse zur Niedrighaltung des Brotpreises aus Ersparnisgründen einzuziehen, stürzten sie ihn. Die Zaghaftigkeit der sozialistischen Partei, die sich zu nichts Entscheidendem entschließen konnte und darum gar nichts tat, ist eine der wesentlichsten Ursachen der gegenwärtigen Lage. Niemals hat sich ein Fehler schneller und bitterer gerächt! Allerdings muß man ihr zugute halten, daß sie s,ich in denselben Schwierigkeiten befand, die damals überall die sozialistischen Kräfte lähmte. Di,e russischen Bolschewiki, die skh mit ihren verständnislosen Ratschlägen.' überall· einmischten und durch ihre törichten Phrasen das Proletariat verwirrt,en, tragen ein gerütteltes Maß an dieser tragischen Schuld, die die italienischen Arbeiter jetzt so teuer bezahlen müssen. Die sozialistische Partei hatte dhre Pflicht während des Krieges treulich erfüllt. Sie hatte mit aller ährer Energie gegen den Krieg gekämpft, und sie war die einzige Partei eines großen Landes gewesen, die geschlossen nach Zimmerwald und Kienthal gegangen war. Als die dritte Internationale gebildet wurde, trat sie ihr sofort bei, und sie zögerte nicht, die Parolen zur Revolution auszugeben, die ihrem Programm und ihrer Vergangenheit entsprachen. Aber sie erschöpfte die revolutionären Kräfte durch nutzlose Demonstrationen und sinnlose Heftigkeiten, ohn1e doch einen entscheidenden Schlag zu wagen. Zwischen der von Serrati geführten Parteileitung und der Parlamentsfraktion, an deren Spitze Turati stand, wurde erhlttert der Kampf um reformerische oder revolutionäre Politik geführt. Als in Livomo .die Partei aus der dritten lnternatiionale austrat, wei[ sie die einundzwanrig allein seligrnachenden Punkte nicht anerkennen wollte, löste sich ihr I.inker Flügel los und kionstituierte; sich als Kommunistische Partei, aber der Kampf zwischen Maxima• Listen und Collaborationisten ging weiter. Indessen eroberten die Arbeit-er eine Gemeinde nach der andern, jeden Tag brach ein neuer Streik aus, immer neue Scharen von Arbeitern, Bauern, Kleinbürgern, Beamten, Intellektuellen kamen zum Sozialismus, während die Bourgeoisie durch die Krise geschw.ächt, die_Armee nicht mehr in der Hand der Offiziere, das Parlament zu Zugeständnissen bereit war. Nach den Wahlen im November 1919 zogen 156 sozialistische . Abgeordnei'e in die Kammern ein; von den 8000 Kommunen des
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