Hanns-Erich Kaminski - Fascismus in Italien

-15sich ferner von diesen Parteien durch die große Zahl von Intellektuellen, die - eine Folge der revolutionären Traditi,onen des Landes - in ihren Reihen standen, und durch den syndikalistischen Einschlag, den der Sozialismus in den lateinischen Ländern hat. Es gab Zeiten, wo sie praktisch dem Anarchismus ziemlich na:he kam, obwohl sie niemals ihr marxistisches Programm verließ. Aber ö.m großen ganzen hat die sorial,istische Partei stets ihre Pflicht getan, sowohl auf politischem, als auC'h auf gewerkschaftlichem und kulturellem Gebiet. Kein schönerer Beweis für die Wirkung Jhr·er Arbeit, als daß ihr Hunderttausende treu geblieben sind und sJch in heldenhaftem Opf.ermut auch in den schweren Stunden der Gegenwart zu ihr bekennen. Eine andere Partei, die auf einer allgemeinen Weltanschauung basiert, ist der nach dem Kriege (1919) gegründete partito popolare. Ihre Gründer Slind jm w{esentLichendie gleichen Pers-onen, die im Jahre 1903 unter Führung von Romolo Murris die democrazia cristiana gründeten. Aber der Versuch, die Ki-rche zu demokratisieren und mit dem sozialistischen Geist des 20. Jahrhunderts r.1 erfüllen, hatte damals ein rasches Ende g~funden. Schon dem mehr humanistischen als humanitären Leo XIII. war der religiöse ~..1nd poldtische Modernismus zu weit gegangen, und unter dem orthodoxreaktionären Pius X. war der democrazia crisüana, die weder fähig noch willens war, ein Schisma zu proklamieren, nichts anderes übrig geblieben, als sich unter das Joch der katholischen Spitzenorganisation, der azione cattollca, zu begeben, wo sie nur eine sekundäre Rolle spielte. Indessen noch Pius X. selbst mußte in sein konservatives Programm eine Bresche legen, und zwar gerade wegen seines Konservativismus. Er gestattete 1913 den reaktionären Klerikalen, den berühmten Wahlpakt mit Giolitti zu schließen, der als Damm gegen die Gefahr eines Sieges der Radikalen und Sozialisten dienen sollte. Das sofortige Resultat war freilich ein Erfolg der Rechten; aber nachdem die katholischen Italiener einmal nicht nur als Italiener, sondern auch als Katholiken an die Urne gegangen waren, zeigte sich bald, daß. sie sich nicht nur zum Vorspann für die Interessen der Liberalen hergeben wollten. Es war also nur eine notwendige Fortsetzung dieser Haltung, wenn Benedikt im Jahre 1919 die Gründung des partito popolare zuließ. Benedikt und sein Kardinal-Staatss•ekretär Gasparri, der a1Uchunter Pius XI. die vatikanische Politik leitet, standen jedoch beträchtlich weiter links als der „heilige" Pius X.; die revolutionären Einflüsse des Krieges waren außerdem auch im katholischen Lager, besonders unter den weißen Gewerkschaften, sehr stark. So war es möglich, daß Luigi Sturzo die Popolari als eine radikale demokratische Partei gründen konnte. Die konservativen und die kaum weniger reaktionären „gemäßigten" Klerikalen machen schließlich mit, weil sie sonst überhaupt auf jede Bedeutung verzichtet hätten.

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