Hanns-Erich Kaminski - Fascismus in Italien

-13Darum ist es auch das Volk, das j.eder starken Individualitäi zujubelt, das immer seine großen Männer hat oder sie skh schafft. Nirgends ist es so leicht, berühmt zu werden, wie in ltalien, wo jedermann immer irgendeinen Messias erwartet und wo jeder sich mit Stolz zu seinem Apostel macht. Daher gibt es hfor aber auch den Mut, aus der Reihe der Mittelmäßigkeiten herauszutreten und such zu sich srelbst und zu seinem Ehrgeiz zu bekennen. Andererseits bedingt das freilich auch eine allgemeine Disposition. zum Aufstieg von Abenteurern und unechten Talenten, deren Talmiglanz nur durch eine wilde Energie seine Leuchtkraft erhält. Es ist klar, daß auf einem solchen Boden große Parteien mit großen Gesichtspunkten und umfass-enden Programmen nur schwer entstehen können. Ungeachtet ihrer nach französischem Muster straff zentralisierten Verwaltung steht die Politik Italiens völlig unter dem Einfluß örtlicher Koterien und landschaftlicher Interessen. Von hier aus kommen die Abgeordneten in die Kammer, wohin sie als Gegengewicht zu den heimatlichen Kirchturmss-orgcn allein ihren Ehrgeiz mitbringen. Die Dynastie spielt re.chtlich und tatsächlich eine zu geringe Rolle, um an diesen Verhältnissen etwas zu ändern. Bis auf den heutigen Tag sind die Folgen der Tatsache spürbar, daß Italien· auf revolutionärer Grundlage geeinigt ist und daß es der ganzen Kunst Cavours bedurfte, um zahlreiche seiner bedeutendsten Führer von der außenpolitischen Notwendigkeit einer Monarchie zu überzeugen. Das italienische Volk hat durchaus das Bewußtsein, daß' der König, wie es in seinem Titel heiß,t, König ist durch die Gnade Gottes und den Willen der Nation, was sein Schicksal um so mehr in die Hände des Volkes legt, als die Gnade Gottes schwer bewefäbar und sicher kein sehr starker Schutz gegen einen Umsturz ist Mazzini und Garibaldi, die Vorkämpfer der Einigung, waren Republikaner, und Crispi umging noch als Ministerpräsident d:e heikle Frage, ob er Monarchist oder Republikaner sei, mit. der stolzen Antwort: ,,Ich bin Crispi." Unbedingt royalistisch aus Theorie war eigentlich nur die kleine Partei der Nationalisten, mit der sich der Fascismus im Februar 1923 verschmolzen hat, nachdem· er ihre Anschauungen nach und nach angenommen hat. Der; eifrige Monarchismus der Liberalen dagegen entspringt keineswegs einer tiefliegenden Treue zur Dynastie, er ist lediglich das Ergebnis des Konservativismus dies·er kapitalisilischen Parteien, die an der Erhaltung alles Bestehenden interessiert sind. Die Nationalisten waren vor dem Kriege - abgesehen von den Sozialisten - überhaupt die einzigen, deren politisches Programm auf einer allgemeinen Weltanschauung beruhte, einer rein romantisch-ästhetischen Weltanschauung, die in ihren Umrissen wie nach ihrer Herkunft mehr literarisch als politisch war. Die Masse der

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