Hanns-Erich Kaminski - Fascismus in Italien

· - 99 - ' und Be.deutung einer höheren Kaste genießt, ist .es zudem den jeweiligen politischen Stimmungen der Bevölkerung in hohem Grade unterworfen, so daß es niemals als ein willenloses Instrument in den. Händen der Regierungen oder gar des Königs. angesehen werden kann. . Eine weitere Belastung des . fascistischen Regiments ist der Mezzogiorno. Mit Ausnahme von Apulien hat der Fascismus in Süd-. italien und a~f den .Inseln niemals viele Anhänger besessen, und die Tatsache, daß. er regiert, hat ihm nicht dazu verholfen, den Süden wirklich zu durchdringen. Das liegt zum Teil daran, daß der Sozi~lismus hier. kaum verbreitet war, also auch das antisozialistische „Ressentiment. keine sonderliche Ausdehnung gewinnen· konnte. In der Hauptsache erklärt sich jedoch die Bedeutungslosigkeit des Fascismus in diesen Provinzen ·aus dem Charakter des Landes und der Bevölkerung, die der Natur des Fascismus diametral entgegengesetzt sind. Südlich von Rom ist das Verständnis für große politisch~ Probleme, mögen sie nun Sozialismus oder Nationalismus heißen, tiemlich zu Ende. Hier sind die Verkehrsmittel gering, die Eisenbahnen nicht zahlreich, die Wege schlecht, das mobile Kapital ist schwach, der Kredit wenig entwickelt. Mit einem Wort: .es ist ein ganz vorkapitalistisches G•ebiet, in dem es kaum eine einzige größere ·Fabrik gibt. Der anarchistische Charakterzug des italie11:ischen-Volkes ist. auf diesem Boden a:ufs äußerste ge,steigert. und geht in einer Kirchturmspolitik auf, die beinahe gar keine ge-:- meinsamen. Gesichtspunkte mit dem Gesamtstaat anerkennt. .. Das gilt besonders von Sizilien und Sardinien. In diesen rückständigen Gebieten werden die Gegensätze beinahe weniger durch ökonomische Interessen, als durch die Freundschaften und Feindschaften bestimmt, in die das ganze Land geteilt ist. Hier, wo die Blutrache noch weit verbreitet ist, wo die Sitten mehr gelten ais die .Gesetze, pflegt jeder das, was .er für wirklich wichtig hält,. selbs.t zu. erledigen, und die Behörden haben es läng~t aufgegebe,n~. Anstrengungen zu machen, die doch niem<\lSzum Ziel führen. Die beiden einzigen Autoritäten sind hier die Freimaurer und noch. mehr die Maffia, deren Macht ebenso unfaßbar wie ausgedehnt ist. Sie macht die Wahlen, sie bestimmt die. Steuern, sie entscheidet in letzter Instanz über. die Personalpolitik, die die Regierung treiben darf. Die meisten, Regierungen haben denn auch die. Maffia still-J schweigend anerkannt und sich, soweit es möglich war, ihres Ein-_ flusses zu bedienen yers1.1cht,wofür sie ihr .mit Waffenscheinen und Beg~adjgungen eritgegenkarnen. D,ie fas~ü,tische Regierung unterliell das .zunächst~ den Fr~imau~ern erklärte sie_ sogar qen Krieg.. Kur)".VQ.rden .Wahlen. änderte sich diese 'Haltung allerdings_. Mussp.Hni .begriff,. daß. ~ie. Regierungsliste im ganzen Süden _~jne_ katastrophale Niede.1:h1g~rleiden würde, wenn sie .nicht ~lie Namen_ der· pezzi grossi, der gr~ßen Tiere dieser Provinzen enthielte.. Es 7*

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