Hanns-Erich Kaminski - Fascismus in Italien

-6verliert die Säbelherrschaft Primo de Riveras ständig an Boden; Rußland, das beinahe von allen Großmächten ane'rkannt ist; befindet sich offenbar in einer Kräftigung; und schließlich hat der Dawes-Bericht nun endlich auch das Reparationsproblem einer Systematisierung nahegebracht und damit Deutschland die Möglich- . keit gegeben, sich entschlossener als bisher ·der Regelung seiner innerpolitischen Fragen zuzuw,enden. Diese verheißungsvollen Anzeichen stimmen auch gegenüber dem Resultat der reaktionären Bewegung in Italien hoffnungsfroher. Sie hat in dem Fascismus ein Phänomen geschaff,en, dessen Natur nicht leicht mit wenigen Worten zu klären. ist. Fast scheint es das Schicksal der Halbinsel zu sein, in m,e,hrals einer Beziehung eine Zwischenstellung einzunehmen. Ihrer ökonomischen Struktur nach steht sie zwischen den entwickelten und den primitiven Ländern; ihr.er politischen Bedeutung nach zwischen ·dien Großmächten urid den Mittelstaaten. Aus dem Kriege ging sie als Siegerstaat hervor, während sie tatsächlich alle Leiden der Besiegten erdulden muß. Zwischen Siegern und Besiegten steht das Königreich mit seiner Valuta, die ihm zwar gewisse Vorteile gegenüber den mittel- und osteuropäisch,en Länd1 ern einbringt, aber andererseits doch nicht genügend wertbeständig geblieben ist, um ihm die Gleichheit gegenüber den Alliierten zu sichern. Es hat mit den reichen Ländern die Arbeitslosigkeit und die Handelskrise gemein, und es teilt mit Rußland, Deutschland, Po.Jen, Ungarn und Oesterreich die sozialen Umwälzungen der Gelde.ntwerfung. Und ein Zwitter ist auch der Fascismus, der zwischen den entscheidenden Klassen der Kapitalisten und Proletarier sdne Diktatur errichten konnte iund sich erst allmähli~h der alteingesessenen Reakti,on genähert hat. Die Grundlagen, die Entwicklung und die Natur dieser besonderen Form der Reaktion v,ersucht dieses Buch aufzuweisen. Ich habe den entscheidenden Ereignissen während der beiden verflossenen Jahre in Italien beigewohnt, meine. Urteile sind daher sämtlkh aus persönlicher Anschauung entsprossen. Insbesondere habe ich auch Gelegenheit gehabt, mir durch einen längeren Auf.enthalt in Süditalien ein Bild über die dortigen Verhältnisse zu verschaffen, die mit den in den nördHchen Provinzen herrschende.rn so gut wie nichts gemein haben. Von den Literaturangaben habe ich abg;esehen. Sie wären für · den deutschen Les.er meist doch nicht kontrollierbar. Ich glaube für mich in Anspruch nehmen zu dürfen, daß: ich ohne Voreingenomm·enheit und ohne Einseitigkeit die Tatsachen geschildert habe und daß meine Objektivität auch nicht vor. den mir nahestehenden Parteien Halt gemacht hat. Freilich lege ich keinen Wert auf das Prädikat: sine ira et studio, das mir gegenüber einer Gegenwartskritik nur als ein Lob auf Feigheit und

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